Gefunden - Gutt gefónn

Texte, die mir wichtig sind - die ich gerne weitergebe.
Herzlichen Dank an die Autoren für ihre freundliche Zustimmung.



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Das Loch in der Tischplatte

„Oma, kann ich bei euch mein Geografie-Referat ausarbeiten? Ferdi macht nur Quatsch und Spektakel. Keinen Satz kann ich zu Ende denken. Bei euch könnte ich in Ruhe arbeiten, Bücher und Landkarten im Wohnzimmer ausbreiten. Meinen Laptop stelle ich auf den Couchtisch. Mama fährt mich. Geht das?“
Franka ruft sofort „Natürlich!“ ins Telefon.
Dann denkt sie nach, stellt sich vor, wie Max auf Fußboden und Sitzmöbeln sein Arbeitsmaterial ausbreitet, und bezweifelt, dass das sehr zweckmäßig sei. Der Küchentisch unten in der Waschküche fällt ihr ein.
„Paul, wir holen den alten Küchentisch herauf, der lässt sich ausziehen. Ich räume ihn ab und mache ihn sauber. Mit Max könntest du ihn nachher herauftragen.“ Schon ist Franka mit Handfeger, Schaufel, Lappen und Eimer unterwegs in die Waschküche.
Töpfe und Schalen mit Geranien finden Platz im Kellergang, Unrat, dürre Blätter und Erdkrümel im Mülleimer. Sorgsam beginnt Franka die Tischplatte abzuwischen. Die ehemals glattglänzende, zartgraue Resopalfläche ist an vielen Stellen stumpf geworden und voller Flecken.
Jetzt wird auch das nagelkopfgroße schwarze Loch an der Längsseite der Tischplatte wieder sichtbar. Franka hält inne. Dieses Loch! Sie erinnert sich genau.
Überglücklich waren sie damals gewesen, als in dem Häuschen von Pauls Eltern endlich die Mansardenwohnung frei geworden war. In jener Zeit der Wohnraumbewirtschaftung fast ein Wunder. Zwei hintereinander liegende Zimmerchen in der Dachschräge. Vorn, gleich nachdem man die Treppe hochgestiegen war, die Tür zu der winzigen Küche. Dahinter das Schlafzimmer.
Eine eigene Wohnung! Sie hatten die Wände tapeziert und gestrichen, den Bretterboden geschrubbt und mit dem für sie gerade noch erschwinglichen Stragula ausgelegt. Dann waren Möbel, Herd und Kühlschrank geliefert worden. Töpfe, Pfannen, Geschirr, Besteck und Vorräte hatte sie mit Paul zusammen eingeräumt. Die schäbige Küchentür hatte Paul abgeschliffen und neu gestrichen.
Am Tag danach als sie Bettwäsche in den Schlafzimmerschrank räumte, hatte sie plötzlich das Sirren der Bohrmaschine und gleich darauf Pauls Stöhnen aufgeschreckt.
Schnell in die Küche!
Die Bohrmaschine auf dem Tisch. Paul daneben. In seiner Hand ein Brettchen. Von Vergissmeinnicht und Maiglöckchen umrankt, war Paul und Franka Brink darauf gemalt.
„Ich wollte es an die Tür hängen - der Tisch!“, stammelte er, hielt das oben in der Mitte durchbohrte Brettchen hoch und zeigte mit der anderen Hand auf das Loch im Resopal des neuen Tisches.
Getobt, gezetert und geweint hatte sie wie eine Irre. Paul aber hatte nichts mehr gesagt, war, kalkweiß im Gesicht, hinausgegangen. Schon als sie seine Schritte auf der Stiege gehört hatte, hatte sie ihr wüstes Geschimpfe bitter bereut. Doch verletzende Worte lassen sich nicht wegwischen wie Bohrmehl auf der Tischplatte. Das Loch war geblieben, hatte sie beide wie ein wachsames Auge immer wieder an jenen Streit erinnert. Ganz sicher hatte es hin und wieder einen Wutausbruch bei Franka gebremst.
Oben an der Haustür klingelt es. Max ist da. Franka wischt noch einmal fast liebevoll über das Loch. Dann ruft sie, der Tisch sei sauber, er könne sofort hochgetragen werden.


Helga Schneider
bosenergruppe.saar.de


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Drei Wünsche

Johann Peter Hebel, 1808


Ein junges Ehepaar lebte recht vergnügt und glücklich beisammen, und hatte den einzigen Fehler, der in jeder menschlichen Brust daheim ist: Wenn man's gut hat, hätt man's gerne besser. Aus diesem Fehler entstehen so viele törichte Wünsche, woran es unserm Hans und seiner Lise auch nicht fehlte. Bald wünschten sie des Schulzen Acker, bald des Löwenwirts Geld, bald des Meiers Haus und Hof und Vieh, bald einmal hunderttausend Millionen bayerische Taler kurz weg.
Eines Abends aber, als sie friedlich am Ofen saßen und Nüsse aufklopften, und schon ein tiefes Loch in den Stein hineingeklopft hatten, kam durch die Kammertür ein weißes Weiblein herein, nicht mehr als einer Elle lang, aber wunderschön von Gestalt und Angesicht, und die ganze Stube war voll Rosenduft. Das Licht löschte aus, aber ein Schimmer wie Morgenrot, wenn die Sonne nicht mehr fern ist, strahlte von dem Weiblein aus, und überzog alle Wände. Über so etwas kann man nun doch ein wenig erschrecken, so schön es aussehen mag.
Aber unser gutes Ehepaar erholte sich doch bald wieder, als das Fräulein mit wundersüßer silberreiner Stimme sprach: "Ich bin eure Freundin, die Bergfei, Anna Fritze, die im kristallenen Schloss mitten in den Bergen wohnt, mit unsichtbarer Hand Gold in den Rheinsand streut, und über siebenhundert dienstbare Geister gebietet. Drei Wünsche dürft ihr tun; drei Wünsche sollen erfüllt werden."
"Acht Tage lang", sagte sie, "habt ihr Zeit. Bedenkt euch wohl, und übereilt euch nicht."




............... Drei Wünsche!

Wally Differding-Buch, Eischen/Lux


Drei Wünsche, jetzt waren der Hans und seine Lise starr vor Schrecken. "Frau, Frau", sagte der Hans nach einer Weile, "bedenk Dein schnelles Mundwerk. Wär es nicht gut, Du würdest Dir ein Pflaster davor kleben, denn so ein Wunsch ist schnell gesagt." Der Frau, die zwar immer über ein flinkes Mundwerk verfügt hatte, fehlte es jedoch an Schlauheit nicht. Sie sprach: "Ich werd tun wie Du mir geheißen, aber sieh auch Du Dich vor, Mann; denn durch Geistesschärfe glänzt Du nicht gerade und außer Kraft und Mannesstolz ist bei Dir nicht viel zu holen. Wie wäre es, wenn wir die nächsten drei Tage mit Schweigen verbringen; so manch rechter Wunsch soll einem in der Stille kommen."

Der Mann war es damit einverstanden. Und nun ging es in dem Hause gar sonderlich zu. Mucksmäuschenstill war's auf dem Hofe. Außer den Tieren, hörte man nur die Töpfe scheppern, das Feuer knistern und die Dielen knarzen. Die Nachbarsleut wunderten sich, kamen alsbald um nachzuschauen was Eigentümliches geschehen sei.
Am ersten Tage dachten sie an einen Scherz. Am zweiten Tage sah man die Nachbarn vor der Türe tuscheln und oh, es war gar sonderlich. Am dritten Tage aber glaubten sie, der Hans und die Lise wären von einer schlimmen Krankheit befallen.

Des Abends, als der Tag zur Neige ging, und die Beiden so stumm am Feuer saßen und sich darauf freuten, dass das mit dem Schweigen bald ein Ende haben tät, kam der Pastor mit dem Weihwasserkessel - segnete das Haus aus, weihräucherte und feuerte mit Kräutern, weil er glaubte, die Beiden seien vom Teufel besessen.
Im Dorf ging nun die Rede - der Teufel gehe um und sammle die Stimmen der gläubigen Christenmenschen ein, um damit sein Unwesen zu treiben.

Der Hans musste lachen über die Dummheit der Nachbarsleut und deren Glauben an den Teufel und er meinte: "Ei der Daus Lise, den Teufel möchte ich gerne sehen, der den armen, einfältigen Seelen die Stimmen stiehlt." "Mann, Mann" rief die Frau, "wat sag's Du da?"

Alsbald kam ein kleines Männlein daher, mit zierlichen Stelzfüßen, gar lieblich anzusehn. Es schleppte einen Sack auf dem Rücken, aus dem die wildesten Schreie drangen.
Da sah der Mann wohl ein, dass er einen Wunsch vertan hatte und dazu noch den Teufel im Hause. Vor Verwunderung sperrte er Mund und Nasen auf, denn den Leibhaftigen vor sich zu haben, das geschieht nicht alle Tage. Als der Teufel sich jedoch an seiner Frau zu schaffen machte, brüllte der Hans: "Fahr zur Hölle, Du luziferische Ausgeburt Du!" Augenblicklich verschwand das Männlein.

Und da war nur noch ein Wunsch zu tun.

Als der Mann aber merkte, dass der Teufel die Stimme seiner Frau mitgenommen hatte, dachte er: Endlich hab ich Ruhe. Eine schöne und dazu noch kluge Frau, nenn ich mein. Eine Frau, die mir keinerlei Widerworte gibt, welcher Mann kann das wohl von sich behaupten. Nun wird's mir Tag und Nacht wohl sein.

Mit der Zeit aber wurd es dem Hans recht eintönig. Die Langeweile machte ihm doch über die Maßen zu schaffen. Denn mit den Schweinen und Kühen ist kein rechtes Gespräch zu führen. Auch die Lise wurde von Tag zu Tag verdrießlicher. Zu guter Letzt blieb ihm nichts anderes über, so holte er mit dem verbliebenen dritten Wunsche, die Stimme seiner Frau wieder herbei.

So ist das, wenn die Mannsleut das Wünschen übernehmen!

Und seither geht der Bauer Hans in keine Kirche nicht mehr. Denn bis heut ist er davon überzeugt, dass der Pfaffe ihm den Teufel ins Haus geschleppt hat.

Und Ihr fragt nach der Lise, ob sie wohl bei ihren Hans geblieben ist?

Ach, wer glaubt heut noch an Märchen?